von Suzanne Hüttenmoser

Was hält ein Paar zusammen? Regeln zum glücklich sein

Viele Paare bitten mich in einer Krise um therapeutische Unterstützung, damit ihre Beziehung sich verändern kann und eine Chance hat, eine glückliche Langzeitbeziehung zu werden. Ist das Gefühl der Liebe nicht mehr da, wird die Beziehung in Frage gestellt. Die Liebe muss wieder gesucht und entdeckt werden, das geht nicht ohne Engagement und Paarzeit. Um die Liebe wieder lebendig zu machen, braucht es folglich Beziehungspflege. Es ist keine schwierige Beziehungsarbeit nötig, aber doch ein gewisses Bewusstsein im Alltag. Im Folgenden habe ich Prinzipien zusammengestellt, an denen sich ein solches Bewusstsein orientieren kann.

1. Vertraut werden mit der Landkarte des Partners/der Partnerin

Schwierige Zeiten und Konflikte in der Beziehung sind einfacher zu ertragen, wenn unter der Unzufriedenheit ein Wissen um die eigene Liebe und um die grundsätzlich vorhandene Liebe des Partners vorhanden ist. Der Beziehungsforscher John Gottman fand heraus, dass glückliche Paare im Unterschied zu unglücklichen viel mehr voneinander wissen und sich mehr füreinander interessieren. Sie kennen die Freuden, Vorlieben, Ängste oder Abneigungen des anderen. Vertraut sein mit der Landkarte der Liebe (Love-Map) des anderen schafft Nähe. Wissen Sie zum Beispiel, was Ihrem Mann momentan am meisten Angst macht? Kennen Sie den Namen der Arbeitskollegin, die Ihre Partnerin so genervt hat? Wissen Sie, was er an seiner Berufstätigkeit liebt und was ihm nicht gefällt? Was ist das schwerwiegendste Ereignis in der Kindheit Ihrer Frau? Welches ist die jetzige Lieblingsmusik ihres Partners? Über welches Geschenk würde sich Ihre Partnerin am meisten freuen? Einander kennen zu lernen hört nie auf. Es macht eine Beziehung lebendig, wenn sich das Paar Zeit nimmt, mehr über den anderen zu erfahren. Gottman schlägt vor, dass das Paar Fragen- und Antwortspiele miteinander zu verschiedenen Themen machen kann, die bei der Erstellung ihrer Landkarte der Liebe helfen können. Dieses Erkennen voneinander gibt beiden das Gefühl, beim anderen aufgehoben zu sein und wirklich gesehen – eben geliebt zu werden.

2. Einander respektieren

Wenn Beziehungen gelingen sollen, müssen sich die Partner gegenseitig respektieren. Für glückliche Paare ist es selbstverständlich, dass sie sich mit demselben Respekt behandeln, den sie Freund/-innen entgegen bringen. Respekt ist eine aktive Grundhaltung im Alltag dem anderen gegenüber, das gegenseitige Berücksichtigen auf Augenhöhe, eine wechselseitige Achtung von zwei gleichberechtigten Partnern. Wir haben alle das Bedürfnis, vom anderen als Person wahrgenommen zu werden, als Partner mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Plänen. All dieses soll vom anderen gesehen und auch beantwortet werden. Respektlos sein heisst, auf Fragen nicht zu antworten, den anderen wie Luft zu behandeln, sie oder ihn zu belügen, die Wünsche des anderen als lächerlich zu erklären. Wenn in einer Partnerschaft der Respekt und die gegenseitige Achtung auf Augenhöhe fehlen, kommen gemäss dem Beziehungsforscher John Gottman die apokalyptischen Reiter ins Spiel. Die vier apokalyptischen Reiter bezeichnet er als Risikobotschafter für Beziehungen. Er nennt diese Reiter: verletzende Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern. Wenn zum Beispiel die Kritik zur Gewohnheit wir, ebnet sie den anderen gefährlichen Reitern den Weg. In der Paarberatung geht es daher oft darum, die Achtung vor dem anderen wieder herzustellen oder zu stärken, dazu gehört auch ein respektvoller Kommunikationsstil.

3. Den anderen akzeptieren ohne wenn und aber

Dass sich Meinungsverschiedenheiten öfters ergeben ist die Regel und nicht die Ausnahme, das wissen alle, die in einer Partnerschaft leben. Zufriedene Paare können mit diesen Unterschieden umgehen, sie zeigen Verständnis füreinander selbst dann, wenn sie nicht übereinstimmen. Sie hören sich die Sicht des anderen an, versuchen zu verstehen worum es geht und setzen den Partner nicht unter Druck. Wer sich so akzeptiert fühlt, startet keinen aufreibenden Umerziehungskampf, sondern kann viel besser entspannt verhandeln oder einen Fehler zugeben. Veränderung ist dann viel eher möglich, als wenn sie mit allen möglichen Waffen eingefordert wird. Gemäss dem Paartherapeuten Arnold Retzer wird die Lösung von Problemen in Paarbeziehungen und auch in Paartherapien vermutlich stark überschätzt. Für ihn zeigt sich, dass die Mehrheit der Paare ihre Konflikte nie ganz löst. Aber für zufriedene Paare ist es nicht entscheidend, ob die Konflikte oder Probleme gelöst sind, sondern wie man sie zu lösen versucht. Für Retzer kommt es letztlich nicht darauf an, sich zu vertragen, sondern sich eher zu ertragen. 
Einander zu akzeptieren ist der Grundstein für konstruktive Verhandlungen. Also beherzigen Sie, Ihre Frau oder Ihr Mann hat andere Erfahrungen, Vorlieben, Prioritäten und Werte als Sie. Versuchen sie, sich in Ihren Partner hineinzuversetzen, und nehmen Sie sich selbst nicht für wichtiger als sie oder ihn.

4. Kompromisse eingehen, Zugeständnisse machen

Wenn in Konflikten ein Wort das andere gibt und jeder Partner auf jeden Angriff noch eins drauf setzt, eskaliert entweder der Streit oder endet damit, dass beide sich frustriert und unverstanden fühlen, weil sie nichts klären oder lösen konnten. Zufriedene Paare wenden eine andere Strategie an. Sie versuchen die Situation zu entschärfen, zum Beispiel durch Pausen, eine Berührung, eine Erklärung oder ein Zugeständnis, dass sie den anderen verstanden haben. Glückliche Paare streiten nicht weniger, aber sie haben gelernt, eine Eskalation zu vermeiden. Sie wissen, dass sie den Charakter des Partners nicht ändern können, dass sie nur versuchen können, die Sichtweise des anderen zu verstehen und zu respektieren.

Bei lösbaren Konflikten hingegen - und dazu gehören zum Beispiel, die unterschiedliche Aufteilung von Hausarbeiten, Geldeinteilung, gemeinsame Freizeitgestaltung, Kindererziehung oder Umgang mit gemeinsamen sozialen Kontakten - gilt es einen Kompromiss zu finden.

5. Täglich Zuneigung zeigen (Anerkennung, Würdigung, Wertschätzung)

Wer sich dauerhaft bindet, begibt sich gemeinsam mit seinem Partner auf einen Langstreckenlauf, der viel Energie und gegenseitige Unterstützung fordert. Zuneigung zeigt sich vor allem in kleinen alltäglichen Dingen. Hier gilt: je häufiger desto besser. Dank auszusprechen ist eine schlichte und gleichzeitig grundsätzliche Form, Wertschätzung zu geben. Der Beziehungsforscher John Gottmann hat eine 5:1–Regel aufgestellt. Einem negativen Erlebnis, das man/frau dem Partner beschert hat, müssen mindestens fünf positive gegenüberstehen, um die Stimmung nicht dauerhaft zu vermiesen. Mit liebevollen Gesten, lieben Worten, einem Lachen, ernstgemeinten Komplimenten zahlen sie sozusagen auf das Beziehungskonto ein, das immer einen Saldo im Plusbereich braucht, damit sich die Beziehung gut anfühlt.

6. Positiv über den Partner / die Partnerin denken

Das innere Bild, das wir von unserem Partner entwerfen, strahlt in die Beziehung zurück. In zufriedenen Beziehungen malen die Partner dieses Bild in warmen Farben. Sind die positiven Gefühle in einer Krisensituation verschüttet, kann es helfen, sich an die Phase der Verliebtheit zu erinnern. Was mochte ich besonders gern an ihm? Was hat mich angezogen? Was haben wir besonders gut gemeistert? Es lohnt sich diese Gefühle gerade auch im ersten Paartherapie-Gespräch ans Tageslicht zu holen, weil es die Beziehung wieder lebendig macht.

7. Rituale entwickeln

Das wundervolle gegenseitiger Liebe ist, dass sie ein magisches Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt: Wir als Paar sind etwas Besonderes. Rituale bilden dafür einen sicheren Rahmen. Dazu gehören alltägliche Begegnungen wie die Art sich zu begrüssen oder zu verabschieden, eine bewusst gestaltete Zeit abends, ein austauschendes Gespräch, ein kleiner Spaziergang usw. Aber auch besondere Rituale wie sich eine Paarinsel schaffen, zum Beispiel mit Paarabenden, gemeinsamen Wochenenden oder Ferien (nur für sich als Paar, ohne Kinder). Wichtig ist, sich als Paar Inseln zu schaffen, sich gemeinsam für Aktivitäten zu entscheiden. Diese Insel-Zeiten können u. a. genutzt werden, um gemeinsame Pläne und Ziele zu entwickeln. Diese geben wiederum die Zuversicht und Kraft für die weitere gemeinsame Zukunft.

Weiterführende Literatur für Interessierte:

  • John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, Ullstein Taschenbuch.
  • Hartwig Hansen: Respekt – Der Schlüssel zur Partnerschaft, Klett-Cotta Leben

 

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